Gestern noch hatte mir der Besitzer erzählt, dass man hier praktisch nie Bären zu Gesicht bekommt und wir uns keine Sorgen machen brauchen, heute erzählt er, dass sie gestern Abend gleich über den Pass rüber Rehe jagen waren und dabei auf einen sehr großen Schwarzbären gestoßen sind. So sehr kann man sich also auf Einheimische verlassen. Egal, wir haben uns sowieso angewöhnt, nie Essen oder überhaupt etwas anderes als Schlafsäcke, Matten und Schlafanzüge im Zelt zu haben, deswegen sollten uns die Bären auch in Ruhe lassen, selbst wenn sie in der Nähe sind. Und das war ja jetzt schon über vier Monate lang der Fall. Jetzt verlassen wir endgültig das Verbreitungsgebiet von Grizzlybären, aber Schwarzbären werden uns, abgesehen von ein paar Wüstengebieten, auch den Rest der Reise noch begleiten.
Nachdem wir gestern praktisch auf dem Pass bei 2350m geschlafen haben, geht es heute erstmal bergab. Die Straße fällt leicht ab, die Blicke sind weit über öde Landschaft, und der Wind ist im Rücken, so dass wir sehr schnell voran kommen.
Inzwischen merkt man den Herbst an den Temperaturen. Die Höhensonne ist zwar immer noch sehr heiß, aber die Luft ist gleichzeitig kühl, so dass man es gut ertragen kann, dass mal wieder kein Wölkchen am Himmel steht. Die Kinder sind hier sowieso sehr zufrieden, weil im Grunde jeder Pauseplatz ein riesiger Sandkasten ist, an dem man gut buddeln und bauen kann.
Pronghorn sieht man in der kargen Landschaft hier überraschend viele. Fast immer, wenn wir unseren Blick schweifen lassen, können wir irgendwo ein paar Tiere entdecken, und wenn man dann genauer hinschaut, werden es immer mehr. Sie stehen auch gerne mit den Rindern auf der Weide, wobei sie sich gegenseitig nicht zu stören scheinen. Herden von fünfzig oder mehr Tieren sind dabei keine Seltenheit.
Zehn Kilometer vor unserem Ziel taucht aus dem nichts ein Fahrradweg neben der Straße auf, obwohl der Seitenstreifen so breit ist wie eine eigene Spur, so dass er eigentlich nicht notwendig wäre. Später stellen wir fest, dass die ganze Umgebung von Pinedale relativ gut mit Radwegen erschlossen ist.
In Pinedale wollten wir eigentlich auf den Campingplatz, aber den gibt es leider nicht mehr. Es gäbe zwar noch einen Platz, aber dort gibt es keine Duschen und kein fließend Wasser, und nachdem wir uns schon gestern nicht waschen konnten, wollen wir das heute wieder. In der Touri-Info bekommen wir eine Blockhütte vermittelt, an einem See fünf Kilometer außerhalb von Pinedale, für recht günstig. Der Eigentümer würde uns sogar mit seinem Truck abholen, was wir dummerweise ablehnen, denn es geht nochmal kräftig nach oben.
Dafür ist es mit der schönste Ort, auf den wir auf unserer Reise bis jetzt gestoßen sind: wir haben eine urige eingerichtete Blockhütte (mit Kamin), direkt am Kopfende eines Sees mit glasklarem Wasser. Der See ist etwa zwei Kilometer breit und fünfzehn Kilometer lang, und wir schauen entlang seiner Länge direkt auf die höchsten Berggipfel Wyomings.
Wir kriegen auch noch den Tip, dass bei kleinen Seen in der Nähe Elche zu sehen wären, also machen wir uns abends nochmal auf, obwohl die Kinder keinen Mittagsschlaf hatten. Wir spazieren über eine halbe Stunde durch diese kleine Seenlandschaft und haben sie fast umrundet und noch keinen Elch gesehen (dafür einen Biber mit Burg). Da entdecken wir jemanden mit riesigem Objektiv, der ausgiebig fotografiert. Als er uns sieht, kommt er uns entgegengelaufen und bedeutet uns, nicht näher zu kommen. Da tritt hinter ihm auch schon ein riesiger Bulle von Elch auf den Weg, dessen Schultern schon höher sind als ich groß bin. Jetzt sehen wir so ein Ding endlich mal aus der Nähe. (Ich hatte zwar schon von Elchen geschrieben, die sogar über unseren Campingplatz gelaufen sind, da bin ich aber einer Falschübersetzung aufgesessen: was im Amerikanischen Elk heißt, sind auf deutsch keine Elche, sondern Wapiti-Hirsche. Elche heißen hier Moose.) Leider kommt er auf den Weg, und macht keine Anstalten, sich wieder von dort wegzubewegen. Wir warten noch ein paar Minuten, weil es inzwischen recht spät ist, und wir zu unseren Fahrrädern zurück wollen, aber er rührt sich nicht mehr. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als wieder zurück um die Seen herumzulaufen.
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