Vor einer Weile haben wir Phileas beigebracht, ein "sch" auszusprechen, vorher hat er es immer nur als "s" betont. Seit ein paar Tagen klingt er jetzt manchmal wie ein kleiner Schwabe, wenn er "kannscht" und "willscht" sagt.
Heute wollen wir bis an den Flathead Lake fahren, um dort ein paar Tage auszuruhen. Das werden fast sechzig Kilomete sein, also brechen wir früh auf.
Was sich gestern schon angedeutet hat, setzt sich heute fort. Seit Columbia Falls sind wir an einem großen Highway unterwegs. Bunte Werbetafeln für alles mögliche, Fast Food Restaurants, Lagerräume und sonstiges Kleingewerbe säumt die Straße, und zwar nicht nur innerhalb der Orte, sondern entlang der ganzen zwanzig Kilometer, die wir heute bis Kalispell fahren. Gleichzeitig ist viel Verkehr, sowohl Autos als auch Lastwagen. Immerhin ist die Strecke aber topfeben und wir haben einen Seitenstreifen für uns, der fast so breit ist wie eine reguläre Fahrspur.
In Kalispell angekommen ist es erst elf Uhr und wir haben schon ein Drittel der Strecke hinter uns. Auf von einer Landkarte wusste ich, dass wir hier einen Wal-Mart zum Einkaufen finden, aber im gleichen Einkaufskomplex entdecken wir auch einen großen Bioladen, von dem Romy total begeistert ist. Gleichzeitig sind die Preise nicht höher, als was wir bis jetzt von normalen Supermärkten gewöhnt sind, also kaufen wir halt hier ein und machen auch gleich Mittag.
Danach wollte ich eigentlich versuchen, das Paket von UPS abzuholen. Bis jetzt sind wir gewöhnt, dass die Läden von früh morgens bis spät abends durchgehend offen haben, deswegen trifft mich die Mittagspause des UPS-Büros unvorbereitet. Von elf bis drei ist zu. Wenn wir noch eine Chance auf das Paket haben wollen, dann wird das heute nichts mehr mit dem See.
Also sind wir erst beim Fahrradladen und Romy dann mit den Kindern beim Spielplatz, während ich um halb vier nochmal beim UPS-Büro bin. Ich sage erstmal nur, dass ich ein Paket für Jamie Dawson abholen will, und es wird mir auch gleich rausgesucht. Dann werde ich doch noch nach einem Ausweis gefragt. Aber es stört nicht weiter, dass es nicht der Name auf dem Paket ist, und auch nicht, dass es ein deutscher Personalausweis ist, ich kriege das Paket trotzdem. Wahrscheinlich reicht es ihnen, dass sie wissen, wem sie es ausgehändigt haben. Aber in Deutschland hãtte das sicher niemals so funktioniert.
Dann suchen wir den Wohnwagen-Stellplatz, der uns im Fahrradladen beschrieben wurde. Wir fahren weiter aus der Stadt raus, als uns beschrieben wurde, und landen schließlich auf etwas, das sich RV Park (Wohnwagenstellplatz) nennt. Aber nach Urlaub sieht es hier nicht aus. Die meisten Wohnwagen sind schon verrostet und alle sehen so aus, als wurden sie schon seit Jahren nicht mehr bewegt. Die Bewohner passen dazu: heruntergekommene Kleidung, oft stark tätowiert, manche wirken wie auf Drogen und irgendwo hört man einen lautstarken Streit. Der Bauarbeiter, dessen Zelt neben uns steht, erzählt mir, dass er arbeitslos geworden ist, und deswegen seit einem Monat auch obdachlos ist. Die sanitären Anlagen sehen auch entsprechend aus: zum ersten Mal außerhalb der Wildnis gibt es kein Klopapier und keine Seifenspender, nur ein Wasserhahn funktioniert noch und die Wand hat große Löcher. Zum Glück sind wir im Gegensatz zu den restlichen Bewohnern morgen wieder weg.
Das heute über 40 Kilometer auf dem Tacho stehen, liegt an dem Gondeln durch Kalispell. Obwohl nur ca. 20.000 Menschen dort leben, erstreckt sich die Stadt über eine große Fläche, so dass die Wege zwischen den oben beschriebenen Punkten jeweils mehrere Kilometer betragen. |