Von den Grizzlybären, die angeblich auf dem Zeltplatz leben haben wir in den drei Tagen nichts gesehen. Mal sehen, ob sich in den nächsten Tagen auf dem Weg durch die Nationalparks noch einer zeigt.
Der Weg führt jetzt fast direkt nach Süden und damit auf die US-amerikanische Grenze zu. Wir fahren durch das weite Tal, das wir schon Vorgestern vom Gipfel aus gesehen haben und folgen somit dem Athabasca River flussaufwärts. Der Athabasca River ist ein sehr breiter und schnell fließender Fluss, aber nennenswerte Stromschnellen entdecken wir keine. Deswegen bin ich überrascht, dass uns trotzdem immer wieder Rafting-Schlauchboote entgegen kommen.
Hier auf dem Icefields Parkway sind Lastwagen verboten, und so besteht der Schwerverkehr nur aus Wohnmobilen. Zum Glück ist nicht allzu viel los, aber einsam fühlt man sich entlang der Strecke auch nicht. So ist es ein angenehmes Gleiten leicht bergan, mit einer Welle hin und wieder. Die Strecke scheint außerdem fast so etwas wie der Donauradweg Nordamerikas zu sein, allein in der ersten Stunde kommen uns fünf Radreisende entgegen und auch während der nächsten Tage werden wir täglich mehrere sehen.
Das Highlight der heutigen Strecke sind die Athabasca Falls, ein Wasserfall am Athabasca River. Nach einem großen Auto- und Busparklplatz stellen wir unsere Räder am Beginn des geteerten und voll abgezäunten Fußwegs ab, der innerhalb von ein paar hundert Metern zur Brücke über den Wasserfall führt. Diesen Weg teilen wor uns mit Unmengen anderer, hauptsächlich asiatischer Touristen. Es ist so voll, dass man kaum ein Foto machen kann, auf dem nicht andere mit drauf sind und an den schönsten Stellen muss man schon anstehen, um sie dann auch mit der eigenen Kamera zu knipsen. Die Veraorgungslage entlang des Parkways mag schlecht sein, aber Wildnis ist etwas anderes. Hier könnten wir uns genauso gut am Rheinfall von Schaffhausen befinden.
Der Wasserfall selbst ist eindrucksvoll, weil sich der breite Fluss in eine schmale und vielleicht zehn bis zwanzig Meter tiefe Schlucht zwängt. Was mir deutlich auffällt sind die Info-Tafeln: Wo man als deutscher gewöhnt ist Fakten wie Fallhöhe und Abflussmenge zu finden, erzählt der Nordamerikaner lieber von dem ungelösten Geheimnis, wie es eine Forellensorte schaffen konnte, den Fluss oberhalb des Wasserfalls zu besiedeln. Spekuliert wird, dass sie von Menschen dort ausgesetzt wurde...
Als wir gegen sechs den unseren Zeltplatz am wunderschönen Honeymoon Lake erreichen ist dieser schon komplett belegt. Wiederum: Einsamkeit ist etwas anderes. Zum Glück bietet uns ein australisches Ehepaar mit Wohnmobil an, dass wir uns auf ihrem Platz dazu stellen können. Geld wollen sie dafür nicht annehmen, so dass wir heute einen derdoch relativ seltenen Tage haben an denen wir exakt Null Dollar ausgegeben haben.
Wie an den duschenlosen Plätzen üblich, nutzen wir das vorhandene Gewässer dann noch zum groben Abwaschen. Phileas testet das Wasser und befindet: "Mittelwarm.". Und das ist der See wirklich. Sogar warm genug, dass wir in dem klaren Wasser sich schlängelnde Blutegel sehen. Dementsprechend kurz und gehetzt fällt die Waschaktion aus, während Phileas und Mika am Ufer stehen und uns pausenlos "Vorsicht, Blutegel!" zurufen. |