Gleich beim Zeltplatz beginnt die Baustelle und damit die Schotterstraße. Im Gegensatz zu unseren Befürchtungen erweist sich die Baustelle allerdings als Glücksfall: der Schotter ist sehr fest und gut zu fahren, und ganz am Anfang gibt es eine Ampel, so dass die Autos immer nur aus einer Richtung und immer blockweise kommen. Die meiste Zeit haben wir die Straße aber ganz für uns, insbesondere am Anfang.
Anfangs geht es fünfzig Meter nach oben und dann bleibt die Straße eine ganze Weile (mit leichten Wellen) auf dieser Höhe. Erst am Ende des Sees beginnt der eigentliche Anstieg. Dieser ist moderat (etwa sechs bis sieben Prozent) und sehr konstant, und dadurch sehr schön zu fahren. Nach der ersten Stunde bekommen die Kinder das Tablet zum Zeichentrick schauen und sind für den Rest des Anstiegs glücklich damit.
Die erste Hälfte führt durch Wald und ist somit unspektakulär. Dann lichtet sich der Wald und man sieht von hoch oben am Hang auf ein unberührtes Tal mit Wiesen, Wald und Wasserfällen, und über allem thronen felsige Gipfel. Mit jeder Kurve wird die Aussicht noch schöner, und wir haben auch reichlich Zeit, sie zu genießen.
Um elf Uhr, nach drei Stunden Fahrt sind wir oben am Gipfel. Dort gibt es eine Touri-Info mit einem riesigen Parkplatz, der komplett gefüllt ist. Entsprechend belebt ist es hier oben auch. Wir treffen auch zwei radreisende Mädels, die sich von der anderen Richtung her hochgekämpft haben.
Nach unserer Mittagspause sitzen sie immer noch da, sie haben sich ein Schild geschrieben, ob jemand ein 28-Zoll Vorderrad zu verkaufen hat. Eine von beiden ist schon ganz zu Beginn der Steigung in einem Gulli mit Längsrillen hängen geblieben, und hat sich dabei die Felge ganz schön verbogen. So ein Pech schon am zweiten Tag ihrer Tour. Sie konnte nur mit ausgehängter Vorderradbremse weiterfahren, und so traut sie sich jetzt nicht bergab. Da es nicht schlimmer werden kann, versuchen wir es gemeinsam mit roher Gewalt und knicken die Felge über eine Parkbank. Damit kriegen wir es immerhin wieder so gerade, dass sie fahren und Bremsen kann, wenn auch sehr ruckelig.
Sie fahren im Grunde fast unsere Strecke rückwärts: sie wollen nach Vancouver, nur Jasper lassen sie aus und werden von Banff aus direkt nach Westen fahren. Da sie durch einige Nationalparks in Kanada kommen werden, schenken wir ihnen unsere Jahreskarte dafür, die wir ja jetzt nicht mehr brauchen. Leider können wir ihnen nicht viel Hoffnung auf einen Fahrradladen machen, den letzten richtigen haben wir in Fernie bzw. Canmore gesehen. Als wir uns zur Abfahrt aufmachen, haben sie immer noch nicht entschieden, ob sie weiter fahren, oder wieder zurück. Leider lasse ich mir auch keine Email-Adresse geben, so dass wir es nicht erfahren werden.
Dann geht es für uns bergab. Der Ausblick auf der Abfahrt ist noch spektakulärer als auf der Auffahrt, hier befinden wir uns fast tausend Meter über dem Talboden. Mit der gleichen gemäßigten Steigung geht es ūber 15 km hinunter. Man merkt, dass viele amerikanische Autofahrer solche engen alpinen Straßen nicht gewohnt sind. Obwohl wir mit den Kindern wesentlich langsamer fahren als wir könnten, bleiben wir immer wieder hinter Autokolonnen hängen, die sich langsam den Berg hinunter schlängeln.
Unten angekommen sind wir an einem wunderschönen klaren Fluss, von dem Cheston schon geschwärmt hatte. Hier finden eine felsige Stelle unterhalb von ein paar Stromschnellen. Ich lasse mich ein paar Mal durch die Felsen treiben, die Kinder baden unterhalb und spielen an Nebenflüsschen, so haben wir alle etwas davon.
Am Zeltplatz gibt es wieder Hiker-Biker-Sites für fünf Dollar pro Person. Zum ersten Mal seit Beginn müssen wir auch für die Kinder zahlen, so dass es nicht so günstig ist wie auf dem letzten Platz. Hier treffen wir abends wieder zwei radreisende Mädels. Die beiden Schwestern sind in Sūdtexas aufgebrochen und im Verlauf von fast zwei Monaten den Bergen nach Norden gefolgt und sind übermorgen am Ziel ihrer Reise in Pincher Creek. Da sie zu einem großen Teil über die Strecke gekommen sind, die wir auch nehmen werden, unterhalte ich mich noch lange mit ihnen über was noch kommt. Die wichtigste Info ist eine schlechte Nachricht: im Yellowstone Nationalpark sind die Campingplätze oft sechzig Kilometer voneinander entfernt, so dass man keine Zeit hat, die Strecke zu machen und sich gleichzeitig noch die ganzen Naturwunder entlang der Strecke anzusehen. Sie sind einfach nur durchgefahren und haben sich anschließend ein Auto gemietet, um nochmal zurück zu fahren und sich die größten Sehenswürdigkeiten anzusehen. Mal sehen, ob wir das genauso machen werden. |