Die ersten paar Kilometer fahren wir noch Highway, bis wir zur Abzweigung der Schotterstraße kommen. Mit leichtem Rückenwind und ohne Verkehr läuft es richtig schön, so dass ich fast versucht bin, doch auf dem Highway zu bleiben. Aber nach den Erfahrungen der letzten drei Tage lassen wir es dann doch lieber bleiben.
Nach der Abzweigung geht es auf einer relativ guten Schotterstraße gleich bergauf. Wir hatten schon gestern erfahren, dass wir auf den ersten Kilometern dreihundert Höhenmeter gewinnen müssen, deswegen ist es keine Überraschung. Anfangs ist die Steigung moderat und wir kommen gut voran. Als Romy ankündigt, dass sie mal Mittagspause machen will, sind es nur noch etwa drei Kilometer bis zum See am "Pass". Also wollen wir schon versuchen, noch dorthin zu kommen. Leider wird es im gleichen Moment steiler. Immer wieder wird die Straße flacher, und wir hoffen, oben zu sein, aber immer wieder geht es weiter bergauf. Eine halbe Stunde später geben wir auf und halten an einem schattigen Platz am Straßenrand um Mittag zu machen. Kurz darauf kommt ein Auto vorbei, von dem wir erfahren, dass wir wirklich nur noch hundert Meter um die Kurve haben bevor es flach wird. Also packen wir nochmal zusammen und tatsächlich haben wir es nach der nächsten Kurve geschafft. Das wäre ärgerlich gewesen, nach dieser Anstrengung so kurz vor dem Ziel an der Straße zu sitzen, nur um dann kurz nach dem Aufbruch an einem schönen Pauseplatz vorbeizufahren!
Während der Mittagspause überholt uns Bob, während Hans und Denise hinter uns bleiben, weil sie einen Ruhetag am Seeley Lake einlegen. Danach kann Phileas ein Stück selbst bergab fahren, dann geht es nochmal bergauf, bevor die Strecke endgültig ins Tal führt. Den ganzen Tag geht es durch Wald, nur ganz selten kommt mal ein Auto vorbei. Die Straße führt lange am Hang entlang, so dass man einen schönen Blick auf das Tal im Süden hat. Ich finde den Tag sehr idyllisch. Romy findet ihn eher nervend, weil sie mit dem Schotter schlechter zurecht kommt und vor allem bergauf das Gefühe hat durchzurutschen, wodurch es viel anstrengender wird. Aber da sie weiß, was die Alternative wäre, beklagt sie sich nicht.
Die letzten zehn Kilometer führen dann aus der Bergkette hinaus nach Ovando. Hier bedeckt gelbes Gras die Erde, fast baumlose Prärie, in manche Richtungen über sanfte Hügel bis zum Horizont, in andere bis zur nächsten Bergkette. Hier wird der Spitzname "Big Sky Country" fassbar.
Uns wurde gesagt, dass es in Ovando die Möglichkeit gibt zu zelten. So richtig konnte ich mir nichts darunter vorstellen. Und so wie es dann ist, habe ich es bis jetzt auch noch nie gesehen. Ovando ist ein kleiner Ort mit etwa 70 Einwohnern. Einzelne Häuser stehen lose beisammen, im Zentrum gibt es einen etwas größeren Platz mit bunten eingeschossigen Holzhäusern außenrum, eine Tankstelle, ein Hotel, ein Café, ein Outdoorshop und ein kleines Museum. Außerdem steht da ein Schild "Radfahrer willkommen", darunter steht dann, dass man auf der Wiese vor dem Museum und im Park gerne zelten darf, jemand begrüßt uns und zeigt uns, wo es Wasser gibt, und am Outdoorshop hat man sogar Internetzugang. Das ist mal ein radfahrerfreundliches Dorf!
Auf der Wiese am Museum hat Bob schon sein Zelt aufgestellt, und es steht noch ein zweites Zelt, in dem Wendy aus Vancouver nächtigt. Sie hat vor fünf Tagen in Banff begonnen, ist extrem leicht unterwegs und will in vier Wochen die Great Divide bis fast zur mexikanischen Grenze abgeradelt haben. Wir stellen uns auch dazu. |